Warum „Dinner for One“ seit 60 Jahren unser Silvester prägt – und was Miss Sophie wirklich verrät

Warum „Dinner for One“ seit 60 Jahren unser Silvester prägt – und was Miss Sophie wirklich verrät
Jedes Silvester schalten Millionen in Deutschland und Österreich ein, um Dinner for One zu sehen – eine kurze Komödie, die längst zu einer geliebten Festtagstradition geworden ist. Die Handlung spielt in einem alten englischen Salon um das Jahr 1900, wo die betagte Aristokratin Miss Sophie ihren 90. Geburtstag mit einem opulenten Mehrgänge-Menü feiert – begleitet nur von ihrem Butler und den Geistern ihrer längst verstorbenen Freunde.
Die Sketch-Reihe hatte ihre Premiere an Silvester 1963 im Hamburger Neue Constantin Varieté-Theater. Freddie Frinton spielte James, den pflichtbewussten Butler, der nicht nur das Essen serviert, sondern auch jeden der vier abwesenden Gäste Miss Sophies verkörpert. Im Laufe des Abends muss er zu jedem Gang mit deren Lieblingsgetränken anstoßen, wird dabei zunehmend betrunken und kämpft verzweifelt darum, die steife Etikette des Anlasses aufrechtzuerhalten.
Das Dinner selbst ist eine Parodie auf die Rituale der Oberschicht, bei dem zu jedem Gang ein bestimmtes Getränk gehört – ein Spiegel der kolonialen und standesbewussten Traditionen der Epoche. Miss Sophie, ahnungslos gegenüber James’ wachsender Trunkenheit, besteht darauf, jeden Brauch penibel einzuhalten. Ihre Beziehung ist geprägt von einer Mischung aus Wärme, Abhängigkeit und dem unausgesprochenen Einverständnis, dass das ganze Schauspiel eine Farce ist. Der Humor entsteht aus dem Kontrast zwischen James’ schwindender Fassung und der steifen Förmlichkeit, die er zu wahren versucht. Doch unter der komischen Oberfläche zeigt der Sketch subtil die Einsamkeit des Alters in einer Gesellschaft, in der Rituale echte Verbundenheit ersetzen. Der Butlers betrunkene Beharrlichkeit wirkt dabei zugleich absurd und auf seltsame Weise würdevoll – eine düster-komische Reflexion über Tradition und Isolation.
Seit den frühen 1970er-Jahren wird Dinner for One jährlich im deutschen und österreichischen Fernsehen ausgestrahlt und hat sich so als fester Bestandteil des Silvesterprogramms etabliert. Die Mischung aus Slapstick und gesellschaftlicher Satire fasziniert bis heute und bietet einen skurrilen, doch nachdenklich stimmenden Blick auf Klasse, Altern und die Rituale, die beides verbinden. Für viele gehört der Anblick von James, der sich tapfer durch den nächsten Toast kämpft, längst ebenso zum Fest wie Feuerwerk und Sekt.